Interviewer: Jonas, du hast kürzlich eine Umfrage auf LinkedIn zum Thema "Nachwuchsprobleme in der Wirtschaftsprüfung" durchgeführt. Dabei kam heraus, dass 45% der Teilnehmenden die hohe Arbeitsbelastung als Hauptgrund nennen, warum sich junge Berufseinsteiger gegen die Wirtschaftsprüfung entscheiden. Deckt sich das mit den Gesprächen, die du mit Kandidaten führst?
Jonas Volkmann: Absolut: Die hohe Arbeitsbelastung wird oft als Wechselmotivation genannt und bewegt viele junge Talente dazu, ihre Karriere in der Wirtschaftsprüfung frühzeitig zu beenden. Besonders bei den Big Four, die durch ihre Bekanntheit viele junge Berufseinsteiger anlocken, ist die Arbeitsbelastung oft sehr hoch, vor allem während der "Busy Seasons". Für viele Young Professionals der Gen Z ist das ein wesentlicher Grund, der Wirtschaftsprüfung generell den Rücken zu kehren - Dabei könnte es bei kleineren Arbeitgebern der Branche viel besser laufen. Es ist schade, dass der hohe Workload und die oft unpassende Konzernkultur der Big Four viele vergraulen.
Interviewer: Wie sieht es im Vergleich bei den Next-6 und im Mittelstand aus?
Jonas Volkmann: In den Next-6 Unternehmen ist die Arbeitsbelastung moderater und es wird viel Wert auf Weiterbildung und Karriereentwicklung gelegt. Die Arbeitszeiten können zwar immer noch anspruchsvoll sein, insbesondere während der Spitzenzeiten, aber insgesamt bieten die Next-6 eine bessere Work-Life-Balance. Für den Karrierestart sind sie oft die bessere Wahl, da Berufseinsteiger hier eine gute Balance zwischen Beruf und Privatleben finden und gleichzeitig eine steile Lernkurve durchlaufen können.
Im Mittelstand, also bei kleineren, oft lokal tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, findet man häufig eine noch bessere Work-Life-Balance. Hier arbeiten die Mitarbeiter oft in kleineren Teams und haben schneller die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen. Die direkte Kundeninteraktion und das familiärere Arbeitsumfeld tragen ebenfalls zu einer ausgeglicheneren Work-Life-Balance bei. Der Mittelstand bietet daher oft beste Entwicklungsmöglichkeiten und kann eine sehr gute Alternative für junge Berufseinsteiger sein.
Interviewer: Neben der Work-Life-Balance, welche weiteren Unterschiede gibt es zwischen den genannten Arbeitgebern?
Jonas Volkmann: Ein wesentlicher Unterschied ist die Art und Größe der Projekte, an denen gearbeitet wird. Bei den Big Four sind es oft große, internationale Mandate und komplexe Projekte, die eine umfassende und spezialisierte Expertise erfordern. Das kann sehr spannend und herausfordernd sein, bietet aber auch die Möglichkeit, tief in spezialisierte Themen einzutauchen.
Die Next-6 bieten ähnliche Möglichkeiten, allerdings in einem weniger spezialisierteren Rahmen. Man hat hier oft die Möglichkeit, an bedeutenden Projekten zu arbeiten und sich dabei thematisch breiter aufzustellen. Gerade für Berufseinsteiger, die sich fachlich noch nicht festlegen möchten, kann das sehr attraktiv sein kann.
Im Mittelstand hingegen sind die Projekte oft vielfältiger und weniger spezialisiert. Man hat die Möglichkeit, in verschiedenen Bereichen zu arbeiten und schneller in Führungspositionen aufzusteigen. Die Nähe zum Kunden und die direkte Verantwortung können hier sehr erfüllend sein.
Interviewer: Hast du abschließend noch einen Rat für Kandidaten, die vor dieser wichtigen Entscheidung stehen?
Jonas Volkmann: Mein wichtigster Rat ist, sich selbst gut zu kennen und klar zu definieren, was man in seiner Karriere erreichen möchte. Man sollte sich nicht scheuen, verschiedene Optionen auszuprobieren und gegebenenfalls auch den Arbeitgeber zu wechseln, um die beste Passung zu finden. Networking und kontinuierliche Weiterbildung sind ebenfalls entscheidend. Und letztendlich sollte man eine Entscheidung treffen, die sowohl beruflich als auch persönlich zufriedenstellt – etwas, das viele junge Berufseinsteiger heutzutage zu Recht sehr hoch bewerten.
Interviewer: Super - Vielen Dank für die wertvollen Einblicke!